Eine Dose Würmer

Hugh wollte Hamburger, also gingen er, seine Freundin Anne und ich zu einem Restaurant, das sich Apple Pan nannte. Es war in Los Angeles, einer Stadt, die mir völlig fremd ist. Ich kenne die Namen einiger Stadteile aus dem Fernsehen, aber ich habe keine Ahnung, worin der Unterschied zwischen Culver City und, sagen wir, Silver Lake oder Venice Beach besteht. Schlägt jemand ein Ziel vor, gehe ich mit und lasse mich überraschen.

Ich dachte, das Apple Pan wäre ein Restaurant, aber es war eher wie ein Diner – keine Tische, sondern nur Stühle entlang einer hufeisenförmigen Theke. Wir bestellten unsere Hamburger bei einem Mann mit einer Papiermütze auf dem Kopf, und während wir auf unser Essen warteten, zeigte Anne uns Fotos von ihrem Bullterrier. Sie ist professionelle Fotografin, deshalb waren es auch eher Porträtaufnahmen als Schnappschüsse. Auf einem Bild blinzelte der Hund hinter einem Vorhang hervor. Auf einem anderen lümmelte er sich wie ein Mensch im Sessel, eine Pfote auf den Bauch gelegt. Ich glaube, er hieß Gary.

Wenn sie nicht Fotos von ihrem Hund macht, fliegt Anne im Auftrag verschiedener Magazine durchs Land. Am Tag zuvor war sie aus Boston zurückgekehrt, wo sie einen Feuerwehrmann fotografiert hatte, dessen Nachname Bastardo war. »Wie Bastard mit einem o hinten dran«, sagte sie. »Lustig, was?«

Hugh erzählte ihr von Nachbarn in der Normandie, deren Nachname übersetzt »Breitarsch« lautet, aber wenn man kein Französisch spricht, ist der Witz nur schwer zu verstehen.

»Wird es mit Bindestrich geschrieben?«, fragte Anne. »Ich meine, hat Mr. Breit Mrs. Arsch geheiratet, oder ist es ein Wort?«

»Ein Wort«, sagte Hugh.

Da ich mir sicher war, dass die Unterhaltung noch eine Weile so weitergehen würde, suchte ich nach einem eigenen Beispiel, dabei war mir klar, wie leicht es für die anderen ist, immer noch eins drauf zu setzen. Kennt man eine Candy Dick, kommt der andere garantiert mit einem Harry Dick oder einem Dick Eater. Erst kürzlich hatte ich von dem Rennwagenpiloten Dick Trickle gehört, doch im Augenblick bewegten wir uns noch auf gehobenerem Niveau, sodass ich Bronson Charles erwähnte, eine Frau, die ich Anfang der Woche in Texas getroffen hatte. Wäre sie jünger gewesen, hätte ich mich gewundert, weniger über sie als über ihre Eltern, die sich offenbar für besonders originell hielten. Aber Bronson Charles war bereits über siebzig und hatte den Nachnamen von ihrem Mann bekommen. Es war nicht lustig, sondern nur ein komischer Zufall – die gesittete alte Dame und der Actionheld, Geschlecht, Name und Charakter genau umgekehrt. Gerade so, als würde man einem unscheinbaren Männchen mit Namen Taylor Elizabeth begegnen.

Anne und Hugh kennen sich vom College und schwelgten, als unsere Hamburger kamen, in Erinnerungen an ihre Studienfreunde von damals. »Wie hieß der Typ noch?

Der studierte, glaube ich, Kunst, Mike vielleicht oder Mark. Er war lange mit Karen zusammen, so hieß sie, glaube ich. Oder Kimberly. Na, du weißt schon, wen ich meine.«

Solche Gespräche können Stunden dauern, und wenn man auch nichts dagegen machen kann, braucht man zumindest nicht zuzuhören. Ich starrte geradeaus vor mich hin und beobachtete einen Koch mit schiefer Nase dabei, wie er einen Hamburger mit Käse belegte, drehte mich dann leicht nach links und lauschte heimlich der Unterhaltung der beiden Männer neben mir. Sie wirkten erschöpft wie Leute, die es sich nicht leisten können, sich zur Ruhe zu setzen, und deshalb wie Pferde weiterschuften, bis sie tot umfallen. Der Mann gleich neben mir hatte ein T-Shirt mit einem Floridaaufdruck an, wohingegen sein Gesprächspartner, als herrsche auf der anderen Seite der Ketchupflasche ein völlig anderes Klima, einen dicken Wollpullover und eine warme Kordhose trug. Über seinem Schoß lag ein Mantel, und vor sich auf der Theke hatte er eine Zeitung und eine leere Tasse Kaffee. »Hast du das mit den Würmern gelesen?«, fragte er.

Er bezog sich auf die Dose Nematoden, das sind kleine Würmer, die man vor kurzem in der texanischen Wüste gefunden hatte. Sie waren an Bord des verunglückten Space Shuttle gewesen und hatten auf wundersame Weise die Explosion überlebt, deren Ursache immer noch Rätsel aufgab. Der Mann im Pullover rieb sich das Kinn und blickte ins Leere. »Ich bin mir sicher, wir könnten das Problem im Handumdrehen lösen«, sagte er. »Wenn wir die verflixten Biester nur irgendwie zum Reden bringen könnten.«

Es klang verrückt, aber ich erinnere mich, dass ich über den Akita im Mordprozess gegen O. J. Simpson genau das Gleiche gedacht hatte. Ladet den Hund als Zeugen vor Lasst uns hören, was er zu sagen hat. Es war eine dieser Ideen, die einem einen kurzen Moment lang völlig logisch erscheinen, als hätte man die Lösung, auf die noch niemand gekommen war.

Der Mann im T-Shirt spann den Gedanken weiter. »Also«, sagte er,

»selbst wenn die Würmer reden könnten, würde uns das nicht weiterbringen. Schließlich waren sie in der Dose, nicht wahr?«

»Ich glaube, du hast Recht.«

Die beiden Männer standen auf, um zu bezahlen, und noch ehe sie aus der Tür waren, setzten sich zwei neue, einander fremde Gäste auf ihre Plätze. Es waren ein Mann in einem eleganten Anzug und eine junge Frau, die Platz nahm und sogleich etwas zu lesen anfing, das aussah wie ein Drehbuch. Zu meiner Rechten war Hugh zu dem Entschluss gekommen, dass es statt Karen oder Kimberly doch eher Katharina gewesen sein musste. Während ich ins Gespräch meiner Nachbarn vertieft gewesen war, hatte Anne für mich ein Stück Kuchen bestellt, und als ich die Gabel in die Hand nahm, erklärte sie mir, es müsse verkehrt herum gegessen werden, also vom Rand aus nach innen. »Zum Schluss bleibt nur noch die Spitze, und wenn man die in den Mund steckt, muss man sich etwas wünschen«, sagte sie. »Hast du noch nie davon gehört?«

»Wie war das noch mal?«

Sie blickte mich an wie jemanden, der regelmäßig Geldscheine im Kamin verbrennt. Alles zwecklos! Totalausfall! »Naja, besser jetzt als niemals«, sagte sie und drehte meinen Teller um.

Nachdem Anne und Hugh ihr Gespräch wieder aufgenommen hatten, dachte ich an die vielen Kuchenstücke, die ich im Laufe meines Lebens gegessen hatte, und überlegte, was alles anders sein könnte, wenn ich mir bei den Spitzen immer etwas gewünscht hätte. Zuerst einmal würde ich nicht im Apple Pan sitzen, so viel war sicher. Hätte ich meinen Wunsch mit acht Jahren erfüllt bekommen, würde ich immer noch Mumien in Ägypten jagen, sie aus ihren Gräbern locken und in große eiserne Käfige einsperren. Alle nachfolgenden Wünsche hätten mit diesem einmal eingeschlagenen Weg zu tun: ein Paar neue Stiefel, eine bessere Peitsche, ein größeres Verständnis der Mumiensprache. Das Problem bei Wünschen ist, dass man immer der Angeschmierte ist. Im Märchen sorgen sie für nichts als Ärger und vermehren nur die Selbstsucht und Eitelkeit desjenigen, dem sie gewährt werden. Die beste Wahl – und das ist die Moral aller Wunschgeschichten – ist es, selbstlos zu sein und anderen etwas zu erfüllen, im Vertrauen darauf, durch das Glück der anderen selbst glücklich zu werden. Das ist der größte Sieg.

Seit unserer Ankunft war es im Apple Pan laufend voller geworden. Mittlerweile waren alle Plätze besetzt, und einige Leute lehnten an der Wand und blickten reihum, um festzustellen, wer jetzt besser zahlen und gehen sollte. Ein Blick in die Runde sagte mir, dass wir die wahrscheinlichsten Kandidaten waren. Der Mann mit der Papiermütze hatte unsere Hamburgerverpackungen weggeräumt, und an unserem Platz stand nur noch ein einziger Teller mit der Spitze meines Kuchenstücks. Ich wünschte mir, die Leute an der Wand würden uns nicht so anstarren, um es ganz schnell zurückzunehmen, aber es war zu spät.

»Ich glaube, wir sollten gehen«, sagte Hugh, und er und Anne zückten beide ihr Portemonnaie. Es gab eine kleinere Auseinandersetzung, wer zahlen durfte – »Ich habe euch eingeladen«, »Nein, ich« –, an der ich mich nicht beteiligte, weil ich mir ausmalte, was hätte sein können, wenn ich meinen Wunsch nicht so leichtfertig vergeudet hätte. Ein Labor mit langen Reihen hochempfindlicher Messgeräte Männer in weißen Kitteln, die sich bebend vor Staunen und Erwartung vorbeugen und einer kaum vernehmbaren Stimme lauschen: »Also, jetzt, wo ich drüber nachdenke«, sagt der Wurm, »da war tatsächlich etwas Verdächtiges.«